Politik ist eine Frage des Stils.

Grüne lehnen Haushalt 2016 ab.

Am 15. März 20106 stand die Verabschiedung des Haushaltsplan 2016 auf der Tagesordnung. Fraktionsvorsitzende Ulrike Seifert nahm dazu wie folgt Stellung:

„Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren,

lassen sie mich zunächst und an aller ersten Stelle auch den Bürgerinnen und Bürgern danken, die durch ihre Beteiligung, durch ihre Vorschläge und Ideen unsere Arbeit als Stadträte unterstützen. Das gibt uns stets Kraft und Mut, unsere Arbeit stets mit vollem Engagement fortzuführen. Vielen Dank. Danke auch Ihnen, sehr geehrter Herr Pferner, ihrem Team aus der Stadtkämmerei, sowie danke an alle, die an der Erstellung des Haushaltes 2016 beteiligt waren. Schließlich ist die Aufstellung des Haushalts ein Prozess, der sich über mehrere Monate erstreckt.

Haushaltsplan 2016 – so lautet die nüchterne Bezeichnung auf der heutigen Tagesordnung. Doch: Was entscheiden wir heute? Worüber stimmen wir heute tatsächlich ab? Nein, es ist nicht die Arbeit der Verwaltung. Es ist heute eine Abstimmung über in Zahlen gegossene Politik! Genaugenommen ist es der in Zahlen gegossene Politikstil, über den wir heute zu befinden haben.

Denn dieser Stil ist es, der sich im Haushalt 2016 und in der Planung der Folgejahre manifestiert. Es ist der Stil, mit dem hier in diesem Stadtrat seit Beginn dieser Wahlperiode Politik betrieben oder vielmehr vorangetrieben wird. Und genau dieser Politikstil ist es, der nicht unsere Zustimmung findet. Denn es ist ein Stil, der sich eben nicht darum bemüht, Lösungen und Wege zu finden, mit denen man deutlich mehr als nur etwa nur die Hälfte unserer Bürgerinnen und Bürger gerecht wird. Freilich, sich ausschließlich an knappen Mehrheiten, also ausschließlich an CSU und KI zu orientieren, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Doch nimmt man damit nicht billigend die stete Spaltung unserer Stadtgesellschaft in Kauf?

„Das Beste für die Stadt“ – so oder in ähnlichen Worten trat fast jede Gruppierung im Wahlkampf an. Doch was ist davon geblieben, wenn die Ansichten, Meinungen und Ideen von fast der Hälfte der Mitglieder unseres Stadtrats „hinten runter fällt“? Ist uns allen klar, dass damit die Ansichten, Meinungen und Ideen von fast der Hälfte unserer Bürgerinnen und Bürger mit „hinten runter fällt“?

Wohlgemerkt, es geht nicht darum, 100 Prozent Zufriedenheit und Zustimmung zu erreichen. Es geht darum, einen Stil, einen politischen Stil zu leben, bei dem nach Lösungen und Wegen gesucht wird, mit denen weit mehr als die Hälfte gut leben kann. Damit meinen wir, einen Dialog auf Augenhöhe, und nicht die Unterwerfung einer Minderheit als Zeichen der Machtdemonstration. Liebe CSU und KI: Dass ihr die Mehrheit habt, steht unverrückbar fest. Nicht wir als Minderheit, sondern nur ihr als Mehrheit habt es in der Hand, diesen Politikstil zu ändern.

Leider trägt auch unser Oberbürgermeister mehr als nur dazu bei, dass sich dieser auf Machterhalt ausgerichtete Politikstil bis heute fortsetzt und beinahe schon an eine Art gutsherrenartige Verwaltung früherer Zeiten erinnert. Zwar versucht er, wie immer rhetorisch geschickt, eine andere Sicht der Dinge durch öffentliche Reden zur Wirklichkeit werden zu lassen. Ein wunderbares Beispiel dafür war die jüngste Weihnachtsrede, in der er festzustellen glaubte, man habe sich im Stadtrat angenähert und das Klima im Stadtrat habe sich verbessert. Doch der genaue Beobachter kann erkennen, dass die Realität eine andere ist:

  • Es ist ein Politikstil der Tischvorlagen, der uns die Möglichkeit nimmt, uns fundiert vorzubereiten,
  • es ist ein Politikstil, bei dem man wichtige Dinge aus der Zeitung erfährt,
  • es ist ein Politikstil, der Minderheiten als Verhinderer diffamiert, wenn sie versuchen, sich konstruktiv einzubringen.

Ja, unser Oberbürgermeister geht sogar so weit, Bürgerversammlungen dazu zu nutzen, diesen Politikstil zu pflegen und Parteipolitisch zu gebrauchen: So behauptete er zum Beispiel in Hirschzell, die Grünen würden sowieso gegen jedes Neubaugebiet stimmen. Das ist schlichtweg falsch, wie ein Blick in die Protokolle lehrt. Richtig ist, dass wir jedes Projekt konstruktiv mit Fragen und Anregungen begleiten – wer sonst, außer wir Grünen, setzt sich für die Belange von Familien ein, oder hinterfragt den Flächenverbrauch? Doch in der abschließenden Abstimmung, haben wir seit 2011 (!) immer dafür gestimmt.

Wenn, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, hier im Stadtrat jemand die Möglichkeit hat, etwas zu verhindern, dann sind Sie es mit Ihrer Mehrheit aus CSU und KI. Und sie alle machen davon reichlich gebraucht. Denn mit diesem ausschließlich auf Machterhalt ausgerichteten Politikstil verhindern sie, dass Kaufbeuren mit den Ideen und Vorschlägen aller – unabhängig von Parteilogos – endlich vorankommt. Und zwar nicht wie bisher im gezeigten Schneckentempo.

Die CSU und KI mit dem Oberbürgermeister an der Spitze, das ist die einzig wahre Verhinderungsmehrheit in Kaufbeuren. Und der hier vorliegende Haushalt ist der dazugehörige Politikstil in Zahlen – und diesen lehnen wir ab.