Bericht des Bildungsbeauftragten des Stadtrats – Arthur Müller

Unser Bildungsbeauftragter des Stadtrats, Arthur Müller, gab im vergangenen Schul- Kultur- und Sportausschuss seinen Bericht zu seinen Tätigkeiten im vergangenen Jahr und zur Bildungssituation in Kaufbeuren ab. Als Rektor der Konradin-Grundschule konnte er sich ein sehr genaues Bild aus der Praxis machen. Den ganzen Bericht lest ihr hier:

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, liebe Kolleginnen und Kollegen des Stadtrats,

als einer der letzten der Beauftragten darf ich heute meinen Tätigkeitsbericht vorstellen. So möchte ich zu folgenden Punkten (hier in der Übersicht) kurz Stellung nehmen:

1. Aufgabenbeschreibung des Bildungsbeauftragten
2. Schwerpunkthemen
3. Bildung in Kaufbeuren
4. Tätigkeitsbereiche 2020/2021/2022
❖ Regelmäßige Aussprachen, Besuche
❖ Corona-bedingte Auswirkungen auf Bildung
❖ Zuzug ukrainischer Schülerinnen und Schüler
❖ „Wo drückt der Schuh“?
5. Zusammenfassung/ Ausblick

1. Aufgabenbeschreibung

Wie Sie wissen ist dieses Amt in meinen Augen auch zu recht vom eigentlichen Schulbeauftragten auf alle Bildungsbereiche eines lebenslangen Lernprozesses ausgeweitet worden. In einer Übersicht habe ich versucht die Bereiche aufzuzeigen, die aus kommunaler Sicht bei der Bildung eine Rolle spielen und für mich als Bildungsbeauftragten in den Fokus rücken.

 

2. Schwerpunktthemen

Mir wurde schnell klar dass ich mich dabei auf bestimmte Schwerpunkte beschränken musste, um auch meiner zweite Nebentätigkeit als Schulleiter gerecht zu werden. In meiner bisherigen Arbeit waren für mich folgende Punkte wichtig:

1. Lebenslanges Lernen ist für mich wesentlicher Bestandteil der Persönlichkeitsentwicklung und Sozialisationsentwicklung in einer demokratischen, pluralistischen und multikulturellen Gesellschaft, wobei in allen Bildungsbereichen wir als Kommune eine Mitverantwortung tragen, dass alle Kinder, Jugendliche und Erwachsene gleichberechtigt an den Bildungsangeboten teilhaben können.

2. Soziales Lernen und Erziehung zu Demokratie und Mitbestimmung als Maßnahmen gegen Ausgrenzung und Ausländerfeindlichkeit

3. Kooperation mit Kindergärten, Schulen und Erwachsenenbildungseinrichtungen und Beratung bei Entwicklungsprozessen

4. Entwicklung von kommunalen Bildungszielen als Basis zur Weiterentwicklung der Bildungsregion Kaufbeuren/Ostallgäu (Bildungsmonitoring)

5. Die Bildungsregion Kaufbeuren/Ostallgäu im Bildungsnetzwerk vertreten

6. Entlastung der einzelnen Bildungseinrichtungen durch Abbau von bürokratischen Hürden, durch Einbeziehung der verantwortlichen Leiterinnen und Leiter in Entscheidungsprozesse bei baulichen Erweiterungen oder Umgestaltungen und durch die Unterstützung bei der Weiterentwicklung inhaltlicher, pädagogisch-didaktischer Ziele

3. Bildung in Kaufbeuren

Der Urvater des Bildungsbegriffs ist Wilhelm von Humboldt:

Im Zentrum von Humboldts Denken und Streben stand Bildung sowohl als persönliche Aufgabe wie auch als gesellschaftspolitisch bestmöglich auszuführende Staatsaufgabe und in unserem Fall der Kommune.

Eine für Bildung im Deutschen Städtetag zuständige Referentin Pia Amelung hat dies so ausgedrückt:
„Das gelingende Aufwachsen bzw. der individuelle Bildungserfolg eines Kindes entscheidet sich vor Ort, in der Kommune, im Sozialraum. Es braucht viele Zutaten, um eine Bildungsbiographie zum Gelingen zu bringen.“ 

Um das auf kommunaler Ebene verwirklichen zu können muss „vor Ort auf eine kommunale Bildungslandschaft im Sinne einer gemeinsam getragenen Verantwortungsgemeinschaft“ gesetzt werden.
Kaufbeuren ist bereits ein sehr etablierter und ausgebauter Bildungsstandort, der auch neueren Definitionen von Bildung gerecht wird

Der Begriff der Bildung zielt auf die geistige, gestalterische und moralische Entwicklung, die aus Vernunft und Freiheit heraus und ohne direkte Abhängigkeit von Politik und Wirtschaft geschieht. Gemeint ist nicht nur der Vorgang, sondern auch der Zustand bzw. das Ergebnis.

• Öffentliche Bildungseinrichtungen:
24 Kitas, 7 Grundschulen, 3 Mittelschulen, 2 Förderzentren, 2
Realschulen, 2 Gymnasien, 1 staatl. Berufsoberschule, 5 staatliche
Berufsfachschulen, 1 staatliche Berufsschule, 1 Wirtschaftsschule, 1
Musikschule, 1 Volkshochschule

• Vielfalt von Bildungsangeboten auch außerhalb öffentlicher
Bildungseinrichtungen

• Bildungsregion Kaufbeuren seit 2012

• Hochschulstadt

• Bildungsbüro mit folgenden Leitzielen:
➢ Stärkung der Standortqualität Kaufbeurens
➢ Stärkung des Familienziels
➢ Qualitätssicherung und Ausbau von weiteren Bildungsangeboten

4. Tätigkeitsbereiche

a. Regelmäßige Aussprachen, Besuche
– „Regelmäßige Gespräche und Abstimmung mit Schulverwaltungsamt und Jugendamt, Bildungsbüro, Kinder- und Jugendbeauftragten, Sport- und Integrationsbeauftragten, Beauftragter für „Digitale Stadt“ und Kulturbeauftragte
– Teilnahme an Bildungsveranstaltungen z.B. Bildungskongress in Marktoberdorf im Juli 2021
-Kontaktaufnahme mit Bildungspartnern in der Stadt und gegenseitiges Kennenlernen

b. Corona-bedingte Auswirkungen auf Bildung
• Defizite bei den Lerninhalten (Distanzlernen nachweislich besonders bei
jüngeren Schülerinnen und Schülern nicht ausreichend)

Warum ist der Präsenzunterricht so wichtig? (Elisabeth Stern, Bildungsforscherin, Zürich):
„Wir Menschen sind soziale Wesen, die sich regelmäßig mit ihren Mitmenschen über die Bedeutung von Ereignissen abstimmen müssen. Sonst fühlen wir uns der Welt hilflos ausgeliefert. Dabei spielt die Glaubwürdigkeit der Kommunikationspartner eine große Rolle, und die lässt sich bei der persönlichen Begegnung besser beurteilen. Hinzu kommt natürlich das Übungsdefizit: Was die Kinder machen, konnte nicht so genau kontrolliert werden, und die meisten Kinder haben weniger gelesen, geschrieben und gerechnet.“

Tatsächlich wird es viele Primarschulkinder mit ausgeprägter Lese- und Rechenschwäche geben, die auf fehlende Lerngelegenheiten zurückzuführen ist.

• Sozio-ökonomische Unterschiede verstärkten die Bildungsungerechtigkeit Kinder konnten während des Distanzunterrichts nur unterschiedlich von ihren Familien unterstützt werden. Familien mit Migrationshintergrund waren oft nicht in der Lage den fehlenden Unterricht mit auszugleichen.

• Mangelnde Bewegungsmöglichkeiten oder Teilnahme an Sportangeboten
Nicht nur der fehlende Sportunterricht auch die Angebote der Vereine führten dazu, dass sich Kinder und Jugendliche weniger bewegten und der Medienkonsum zu Hause zunahm. Verschiedene Berichte zeigen auch, dass immer weniger Schülerinnen und Schüler richtig schwimmen lernen.

• Sozial-emotionale Defizite durch mangelnde Sozialkontakte
Mangende Sozialkompetenzen besonders in Konfliktsituationen werden mehr und mehr sichtbar. Sowohl in den Kindergärten als auch in den Schulen fehlten den Schülern mangelnde Trainingsfelder und Sozialkontakte mit Gleichaltrigen.

c. Zuzug von ukrainischen Schülerinnen und Schüler
Ankunft seit Beginn des Ukraine-Krieges ca. 100 Schülerinnen und Schüler an Kaufbeurer Schulen

• Aufnahme in sog. „Päd. Willkommensgruppen“ (Konradin-Grundschule, Jakob-Brugger-Gymnasium, Sophie-La-Roche-Realschule, Gustav-Leutelt-Mittelschule)

• Aufnahme in Regelklassen mit begleitender Förderung in Deutsch als Zweitsprache

• Koordination in einer Steuergruppe (Schulamt: Frau Schwemmer; Schulverwaltungsamt: Herr Pferner; Vertreter der verschiedenen Schularten, Bildungsbeauftragter)

d. Wo drückt der Schuh?“  in den einzelnen Bildungsbereichen und -einrichtungen, auch bei den kulturellen und kommunalen Anbietern vonBildungsangeboten wie z.B. Kulturwerkstatt oder Stadtjugendring

• Bei vorschulischen Einrichtungen und Kitas:
Bereitstellen von genügend Krippen- und Kindergartenplätzen vor dem Hintergrund zuziehender Familien und Familien mit Migrationshintergrund in den nächsten 5 Jahren, miteinhergehend Mangel an qualifiziertem Personal; Planungssicherheit; Personalentwicklungskonzept

• Bei Grund – und Mittelschulen:
Bereitstellen von genügend Plätzen für die in den Grundschulen angesagte flächendeckende Versorgung in der Ganztagesbetreuung bis 2026 (z.B. Grundschule Oberbeuren: Mittagsbetreuungsräume/Mensa), Unterstützung von kleinen Schulstandorten wie die Hirschzeller Grundschule. Fehlende oder unzureichende Sportstätten in zumutbarer Nähe zur Erfüllung des Sportlehrplans z. B. an der Jörg-Lederer-Schule und des JBG

• Bei den Förderschulen:
Der prognostizierte Rückgang der Schülerzahlen ist nicht eingetreten: Raumnot, Mangel an qualifiziertem Personal auch in der Ganztagesbetreuung -> Erweiterungsbau an der LRS, Evtl. zusätzlich Räume für die Josef-Landes-Schule durch Neubau der Turnhalle

• Bei Realschulen und Gymnasien:
-Digitalisierung: Lernmaterial mit Software wird meist nicht übernommen. Weiterer Ausbau der Anzahl der Schülergeräte und Lehrerdienstgeräte.
-Sanierung der noch ausstehenden Gebäudeteile
-Unzureichende Sportstätten zur Ausübung von Sportunterricht im Gymnasium zusammen mit der Jörg-Lederer-Mittelschule

• In der Erwachsenenbildung z.B. Volkshochschule
Weiterer notwendiger Ausbau der IT-Struktur mit dem Anbieten von zeitlich flexibleren Angeboten und Formaten; moderne Buchungsmöglichkeiten

5. Zusammenfassung und Ausblick

In der Stadt Kaufbeuren wird sehr viel für die Bildung getan. Mit der Grundlage eines Bildungs-Monitorings müssen meines Erachtens aber rechtzeitig Weichen gestellt werden um die Qualität der Bildungsregion Kaufbeuren aufrecht zu erhalten, um durch die Pandemie entstanden Bildungsungerechtigkeiten entgegen zu wirken und jeden kleinen und großen Menschen an Bildung teilhaben zu lassen.
Die Auswirkungen und Konsequenzen der Corona-Pandemie und auch die Aufnahme von ukrainischen Schülerinnen und Schülern sind noch nicht abzusehen und werden uns sicherlich im Bildungsbereich auch auf kommunaler Ebene noch lange beschäftigen.

1. Erstes Ziel sollte sein, die daraus entstandenen Ungleichheiten so gut wie möglich auszugleichen um die Bildungschancen für alle zu verbessern und die Teilhabe an Bildung für alle Kinder, Jugendliche und Erwachsene wieder möglich zu machen.

2. Formulierung von kommunalen Bildungszielen unter Beteiligung aller Bildungspartner zur Erhaltung und Weiterentwicklung der Bildungsregion Kaufbeuren

3. Priorisierungen und Entscheidungen im Stadtrat, welche Vorhaben im Bildungsbereich am notwendigsten erscheinen. Trotzdem: Erhöhung der Ausgaben im Bereich Bildung und Sachaufwand, um den Herausforderungen der nächsten Jahre angemessen begegnen zu können.

4. Visionen: Begegnungs- und modernes Kommunikationszentrum in der Innenstadt

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit