Wir treten ein, für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.

Es wird gemutmaßt, dass Björn Höcke am 30.09.2023 nach Kaufbeuren zu einem Wahlkampfauftritt komme.
Bürgerinnen und Bürger fordern, die Stadtverwaltung müsse diesen Auftritt verhindern.
Zugleich wird von den demokratischen Parteien gefordert, eindeutig Flagge zu zeigen.

Für die Stadtverwaltung hat Bürgermeister Oliver Schill gegenüber der Allgäuer Zeitung Stellung genommen, wie in der Ausgabe vom Samstag, 26.08.2023 zu lesen war. In dieser Stellungnahme, die wir hier auf Nachfrage wiedergeben dürfen, sind zuerst einmal die Fakten nachzulesen:

Demnach habe die AfD das Gablonzer Haus am 30.09.2023 von 9-15 Uhr für eine Parteiveranstaltung bei der städtischen Liegenschaftsverwaltung angemietet, gab Bürgermeister Schill bekannt. Weitere Angaben zur Art der Veranstaltung und zu den auftretenden Personen seien dabei nicht gemacht worden. Dass Herr Höcke zu diesem Termin nach Kaufbeuren kommen solle, sei der Stadtverwaltung erst bekannt geworden, als am 11.08.2023 eine Bürgerin Bürgermeister Schill per Mail auf diesen Umstand aufmerksam machte, und er diese Information sofort an die Stadtverwaltung weiterreichte. Nur über eine Internetrecherche, sei eine Terminankündigung auf der Webseite der AfD Unterallgäu ausfindig gemacht worden.

Kann die Stadtverwaltung nun das mutmaßliche Auftreten von Herrn Höcke verhindern, wie es manche Bürgerinnen und Bürger vehement fordern? Schließlich ist Höcke Fraktionsvorsitzender einer Partei, dessen Landesverband im Verfassungsschutzbericht des Thüringer Verfassungsschutzes als rechtsextremistisch eingestuft wird. Hier schreibt Schill, dass die Stadtverwaltung und er im Amt als Bürgermeister diese Frage rein rechtlich und emotionslos zu beantworten habe:

„Aus dem Grundsatz der Parteienfreiheit und der Chancengleichheit der Parteien folgt, dass die Stadt nur in extremen Ausnahmefällen verhindern kann, dass eine öffentliche Einrichtung für politische Veranstaltungen genutzt werden kann, sofern die Einrichtung grundsätzlich für politische Veranstaltungen zur Verfügung gestellt wird. Das gilt für alle Parteien und Gruppierungen, solange diese nicht verboten sind. Es müssen also alle zugelassenen Parteien gleichbehandelt werden.“

Bürgermeister Oliver Schill

Dieses „zur Verfügung stellen“ sei mit Beschluss des Stadtrats vom 29.09.2019 erfolgt. Hier sei festgelegt worden, dass – im Rahmen der verfügbaren Kapazitäten – politische Veranstaltungen im Gablonzer Haus und im Stadtsaal durchgeführt werden können.

„Infolgedessen wurde die AfD, die nicht verboten ist, wie jede andere Partei gleichbehandelt, und hat einen Mietvertrag zur Nutzung des Gablonzer Hauses für eine parteipolitische Veranstaltung erhalten. Würde man der AfD grundlos die Anmietung verweigern, wäre dies ein Verstoß gegen den vorliegen Stadtratsbeschluss und noch vielmehr gegen das Grundgesetz. Es wäre reine Willkür. Wir aber sind ein Rechts- und kein Willkürstaat.“

Bürgermeister Oliver Schill

Beim damaligen Beschluss habe der Stadtrat das Für und Wider intensiv abgewogen und sich bewusst dafür entschieden, das Gablonzer Haus und den Stadtsaal für politische Veranstaltungen zu öffnen. Wohlwissend, dass damit auch extreme Parteien die „Häuser der Demokratie“ nutzen können würden, berichtet Bürgermeister Schill.

„Ich persönlich halte die damalige Entscheidung nach wie vor für richtig. Denn Politik gehört meiner Meinung nach nicht ins Hinterzimmer, sondern dorthin, wo Bürgerinnen und Bürger daran teilhaben können. Schließlich geht es bei Politik um die Gestaltung unserer Gesellschaft und unseres Zusammenlebens.“

Bürgermeister Oliver Schill

Wenn der Stadtverwaltung nun schon die Hände gebunden sind, was machen jetzt die demokratischen Parteien? Wie ist die Position der Grünen in Kaufbeuren?

„Verbote und Ausgrenzung helfen uns nicht weiter, wenn wir unsere Demokratie gegen eine Aushöhlung von rechtsextremer Seite schützen wollen. Vielmehr kommt es in meinen Augen jetzt auf uns Bürgerinnen und Bürger an. Wir sind es, die für unsere Demokratie und unseren Rechtsstaat einzutreten haben. Wir sind es, die diese Werte zu verteidigen haben.“

Günter Matuschak, Vorstandssprecher Grüne Kaufbeuren

Das lasse sich nicht auf unsere Stadtverwaltung oder unseren Stadtrat abwälzen, so Matuschak weiter.

„Das müssen wir Bürgerinnen und Bürger selbst tun, jeden Tag aufs Neue! Haltung zeigen, Haltung bewahren, sich für eigene Werte stark machen!“

Günter Matuschak, Vorstandssprecher Grüne Kaufbeuren

Eine überparteiliche Aktion aller Bürgerinnen und Bürger, aller Vereine, Gewerkschaften und Glaubensgemeinschaften wäre in seinen Augen eine starke und passende Antwort. Mit dem Ziel einer großen bunten Gegendemo für Freiheit, Vielfalt und Demokratie fänden derzeit bereits Koordinationsgespräche statt, berichtet Matuschak.

Abschließend möchten wir auf die Stellungnahme von Bürgermeister Oliver Schill zurückkommen. In dieser betont er noch einmal, dass er als Bürgermeister und damit als Amtsträger das Thema „Vermietung an die AfD“ rein rechtlich abzuarbeiten habe.

„Gleichwohl berührt es mich als Person sehr emotional. Schließlich sehe ich durch die AfD und insbesondere durch Personen wie Herrn Höcke die Werte in Gefahr, für die ich persönlich stehe und mich politisch einsetze.“

Bürgermeister Oliver Schill

Daher könne er sehr gut verstehen und nachvollziehen, dass es schmerze und zutiefst irritierend empfunden werden könne, wenn im Gablonzer Haus oder im Stadtsaal extreme politische Positionen verbreitet werden würden.

„Mein Vertrauen in die Demokratie ist groß.“

Bürgermeister Oliver Schill